Unterstützung für Wohnungslose in der Palliativversorgung
Im Herbst 2024 wurde aus dem VinziDorf-Hospiz in Graz der Himmelshafen. Der neue Name sollte der Einrichtung ein starkes Profil mit hohem Wiedererkennungswert verleihen und neue Unterstützer:innen anziehen. „Himmelshafen der Elisabethinen“ soll Schutz und Geborgenheit vermitteln – der Himmelshafen, ein Ort an dem Bewohner:innen ankommen können, um ihren letzten Weg begleitet und in Würde zu gehen.
Der Zugang zu Palliativversorgung ist ein grundlegendes Menschenrecht, doch wohnungslose Menschen stehen hier oft vor enormen Hürden. Für Menschen, die kein Zuhause haben, ist es besonders schwierig, in einer ruhigen, würdevollen Umgebung die letzte Lebensphase zu verbringen. Der Himmelshafen in Graz hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau hier Abhilfe zu schaffen und wohnungslosen Menschen in ihrer letzten Lebensphase ein sicheres, warmes und liebevolles Umfeld zu bieten.
Herbert, oder Herb, wie er von seinen Freunden genannt wurde, hat einige Jahre in einer Notschlafstelle in Graz gewohnt, bis der übermäßige Alkoholkonsum seinen Körper so geschwächt hatte, dass er Pflege brauchte. Insgesamt war zu erwarten, dass sein Leben nicht mehr allzu lange dauern würde. Es war unvorstellbar, dass er sich in die straffen Strukturen einer Pflegeeinrichtung einfinden können würde. So verbrachte er einige Wochen im Obdachlosenhospiz, bekam Besuch von seinen Freunden aus der Notschlafstelle und konnte mit seinem Charme die Betreuerinnen im Nu um den Finger wickeln. Als er verstorben war – mit einem seligen Lächeln im Gesicht – kamen seine Freunde, um ihn auch auf seinem letzten Weg zu seiner Grabstelle zu begleiten. Musikalisch umrahmt von Iron Maiden, seiner Lieblingsband, stellten wir uns gemeinsam vor, wie er auf einer Harley die Route 66 entlang fuhr, dem Sonnenuntergang entgegen.
Ein Gespräch mit Désirée Amschl-Strablegg, pflegerische Leiterin des Himmelshafens:
Was ist der Himmelshafen Graz?
Der Himmelshafen wurde 2017 als VinziDorf-Hospiz der Elisabthinen in Graz gegründet. Die Einrichtung ist speziell für wohnungslose Menschen, die an lebensbedrohlichen Erkrankungen leiden und palliative Versorgung benötigen, konzipiert. Die Hauptidee hinter dem Hospiz ist, ein Gefühl von zuhause zu schaffen, wo kein Zuhause vorhanden ist, und Menschen, die sonst oft von der Gesellschaft übersehen werden, in ihrer letzten Lebensphase Würde und Geborgenheit zu schenken.
Warum brauchen Wohnungslose eine spezielle Palliativversorgung?
Wohnungslose Menschen sind in vielerlei Hinsicht besonders vulnerabel: Sie leiden oft unter chronischen Krankheiten, psychischen Belastungen und dem fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Lebensumstände auf der Straße oder in Notunterkünften erschweren nicht nur den Alltag, sondern auch den Zugang zu einer kontinuierlichen und auf ihre Bedürfnisse abgestimmten medizinischen Betreuung. Ohne eine dauerhafte Wohnmöglichkeit können herkömmliche Palliativdienste selten greifen, und die Menschen fallen durch das Raster der klassischen Gesundheitsversorgung. Genau hier setzt der Himmelshafen an: Die Bewohner:innen erhalten eine ganzheitliche Betreuung, die sowohl ihre körperlichen als auch seelischen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. In einem geschützten Rahmen wird ihnen die Möglichkeit gegeben, in Ruhe und Geborgenheit zu leben – frei von den Herausforderungen und Unsicherheiten, die das Leben auf der Straße mit sich bringt.
Welche Unterstützung bietet der Himmelshafen?
Der Himmelshafen in Graz bietet umfassende Leistungen, die speziell auf die Bedürfnisse der wohnungslosen Menschen abgestimmt sind:
- Medizinische und pflegerische Versorgung: Die Bewohnerinnen des Hospizes erhalten professionelle medizinische Betreuung. Ein Team aus Ärzt:innen, Pfleger:innen und speziell geschulten Mitarbeiter:innen ist rund um die Uhr im Einsatz, um eine schmerzfreie und würdevolle Pflege zu ermöglichen.
- Psychosoziale Begleitung: Viele Bewohner:innen des Himmelshafens haben eine schwierige Lebensgeschichte hinter sich, ihr psychisches Wohlbefinden ist oft stark belastet. Daher legt das Hospiz großen Wert auf psychologische Betreuung und begleitet die Menschen mit Respekt und Mitgefühl.
- Seelsorgerische Unterstützung: Ein wichtiger Aspekt der Palliativversorgung ist die seelsorgerische Begleitung. Die Mitarbeiterinnen des Hospizes nehmen sich Zeit für Gespräche und schaffen Raum für spirituelle Bedürfnisse, unabhängig von der religiösen oder weltanschaulichen Orientierung der Bewohnerinnen.
- Soziale Gemeinschaft und Tagesstruktur: Ein wesentlicher Bestandteil des Himmelshafens ist die Förderung einer sozialen Gemeinschaft unter den Bewohner:innen. In gemeinsamen Räumen können sie zusammenkommen, essen und sich austauschen. Diese Gemeinschaft gibt ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein und schafft einen Rahmen für menschliche Nähe und Solidarität.
Welche Herausforderungen begegnen Euch als Team?
Neben manch organisatorischer oder sprachlicher Herausforderung ist eine Kernaufgabe, das Vertrauen der Bewohner:innen zu gewinnen. Das Leben hat ihnen oft so zugesetzt, dass sie das Vertrauen in die Menschen und das Leben selbst verloren haben.
Wie ist das mit der Finanzierung und welche die Rolle spielen die Ehrenamtlichen?
Da der Himmelshafen auf Spenden angewiesen ist, spielt die Unterstützung der Öffentlichkeit eine entscheidende Rolle. Viele Mitarbeiter:innen sind ehrenamtlich tätig und tragen mit ihrem Engagement wesentlich zur Arbeit des Hospizes bei. Das Fundraising der Elisabethinen Graz bemüht sich ständig um finanzielle Unterstützung, um das Hospiz langfristig zu sichern.
Eigentlich ein Modellprojekt mit Vorbildcharakter?
Der Himmelshafen Graz ist in Österreich eines der ersten Hospize, das speziell auf die Bedürfnisse wohnungsloser Menschen zugeschnitten ist und zeigt, wie Palliativversorgung für wohnungslose Menschen gestaltet werden kann. Die Kombination aus medizinischer Versorgung, psychosozialer Begleitung und der Schaffung einer gemeinschaftlichen, stabilen Umgebung ermöglicht es den Bewohner:innen, die letzte Lebensphase in Würde und Frieden zu erleben. Die Arbeit des Himmelshafens macht deutlich, dass ein liebevoller Umgang mit jenen, die oft vergessen werden, nicht nur möglich, sondern notwendig ist.
Das Gespräch führte Marianne Buchegger