Diese Frage stellten sich Mutter Bonaventura, Generaloberin der Elisabethinen Graz, und Dr. Christian Lagger, beide in der Geschäftsführung der Krankenhaus der Elisabethinen Graz Gmbh tätig, im Jahr 2015, anlässlich des 325-Jahr Jubiläums der Elisabethinen in Graz.
Zwei Jahre später, im April 2017, öffnete das VinziDorf-Hospiz der Elisabethinen als erste stationäre Hospizeinrichtung für wohnungslose und/oder nicht versicherte Menschen seine Türen. Mit wenig Vorgaben und hohen Ansprüchen konnte das Team der Palliativstation seine Tätigkeit im dislozierten „Hospizchen“, unter der Leitung von Mag. Günther Liebminger (Wirtschaft), Dr. Gerold Muhri (Medizin) und mir selbst (Pflege), aufnehmen.
Das von uns und einigen anderen klugen Köpfen des Krankenhauses erdachte Konzept sah vor, dass wir die Basisversorgung durch Personenbetreuer*innen stellen, und die Palliativpflege und Palliativmedizin durch Mitarbeitende des Krankenhauses erbracht wird. Ebenso wie die Entscheidung, dass wir hin zu den Menschen gehen, also direkt neben das benachbarte VinziDorf am Gelände der Pfarre St. Leonhard, hat sich auch die Entscheidung für Personenbetreuer*innen als gut und richtig herausgestellt. Durch sie entsteht vor allem das heimelige und familiäre Flair des Hauses, das zwei Bewohner*innen Platz bietet. Dass sich die beiden betreuenden Damen in ihrer kroatischen Muttersprache mit nahezu allen slawischsprachigen Menschen unterhalten können, hat sich als zusätzlicher Vorteil erwiesen.
Abgerundet wird das Team von unseren ehrenamtlichen Hospizbegleiter*innen, sowie einer ehrenamtlichen Sozialarbeiterin, einem ehrenamtlichen Seelsorger, einem ehrenamtlichen Psychotherapeuten und Frieda, unserer Therapiehündin.
Multiprofessionelles Arbeiten ist im Palliativbereich eine Selbstverständlichkeit. Im VinziDorf-Hospiz hat sich aus diesem Standard heraus eine „sorgende Gemeinschaft“ entwickelt. Gemeinsam fürsorglich für unsere Bewohner*innen da sein, Feste im Jahreskreis gemeinsam planen, Geburtstagsfeiern der Bewohner*innen gemeinsam gestalten und letztendlich auch den allerletzten Weg – zu dem, dem Hospiz zugehörigen, Grab – gemeinsam gehen. Das ist vielleicht der aller größte Unterschied zu anderen Hospizen. Die Betreuung endet nicht mit dem Tod der Bewohner*innen oder der Trauerbegleitung der Angehörigen. In vielen Fällen gibt es keine Familie, oder zumindest keine, die sich um eine stimmungsvolle Abschiedsfeier kümmern möchte, die dem Wunsch des Verstorbenen entspricht. Zu viel ist in den Jahren davor vielleicht vorgefallen. Und so nehmen wir uns nicht selten um die sterblichen Überreste unserer Bewohner*innen an, verabschieden sie würdevoll und geben ihnen auch eine letzte Ruhestätte. Eines der markantesten Erlebnisse war vielleicht die Verabschiedung des Herrn Igor aus Serbien. Viel gearbeitet hat er sein Leben lang, über zwanzig Jahre auch in Österreich. Leider nie angemeldet und daher auch ohne Versicherungsschutz. Die Freunde waren schnell weg, als Herr Igor kein Geld mehr hatte. Die Familie aus dem Heimatland wollte nichts mehr von ihm wissen. Auch nicht im Angesicht des nahenden Todes. Und so kam es, dass eine Schicksalsgemeinschaft von fünf ihm nahezu fremden Menschen – ein Seelsorger, ein Personenbetreuer, ein Arzt, eine Pflegende und eine weitere Ehrenamtliche – Herrn Igor die letzte Ehre erwiesen. Nicht in ihrer Profession, sondern als Mensch, als Freundschaftsdienst.
Die Menschen, die wir bisher begleiten durften, haben uns viele berührende Momente geschenkt. Unvergesslich, eine georgisch/weißrussische Hochzeitssegnung mit Ringen und Hochzeitskleid, georgischem Essen und Wein, und unendlich viel spürbarer Liebe zwischen den Brautleuten.
Der Spaß kommt ebenfalls nicht zu kurz: Herr Ludwig, der Bewohner nannte sich selbst so nach dem bekannten bayrischen König, wollte mit uns seinen Geburtstag feiern. Diesem Wunsch sind wir gerne nachgekommen, mit einer Torte, spritzigen Getränken und einer fröhlichen Gästeschar. Inmitten der Feier – uns war es bis zu diesem Augenblick nicht bewusst – teilte er uns mit, dass es sich nicht um den „Tag seiner Reinkarnation“ handle, wie er es nannte, sondern den Tag seiner Haftentlassung. Sie können sich vorstellen, dass das Fest nun noch lustiger wurde!
Die Arbeit mit Menschen, die nicht nur am Ende des Lebens angekommen sind, sondern sich auch am Rande der Gesellschaft bewegen, ist so unglaublich bunt und reichhaltig. Die lebenslimitierenden Erkrankungen, nicht selten durch massiven Substanzmissbrauch herbeigeführt, sind oftmals zusätzlich mit psychiatrischen Krankheitsbildern einhergehend. Darin liegt die größte Herausforderung in unserem Tun. Und darin, dass der Mensch zum Ende hin das Gefühl der Geborgenheit erfährt, sich angenommen fühlt, trotz allem, was war.
Desiree Amschl-Strablegg, akad. Palliativexpertin, DGKP, Bereichsleitung für Palliativ und Hospiz im Krankenhaus der Elisabethinen Graz GmbH, für Fördererservice (Fundraising) zuständig, www.vinzidorfhospiz.at