Im April 2021 hat sich der Dachverband Hospiz für die Letzte Hilfe Kurse stark gemacht, damit sie in ganz Österreich flächendeckend angeboten werden können. In insgesamt 20 Ländern bieten diese Kurse eine erste Information über die Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung – und was jeder Mensch, ob Laie oder Mitglied der Gesundheitsberufe, zum ganzheitlichen Umsorgen von Mitmenschen am Lebensende und beim Sterben beitragen kann. Die Hospiz und Palliative Care kann nicht von Profis allein umgesetzt werden, denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und dafür ist – neben spezialisierter palliativer Kompetenz – vor allem breites bürgerschaftliches Engagement nötig: Das Thema Tod und Sterben betrifft alle, jeden Mann und jede Frau; deswegen müssen es auch alle angehen!
Häufig wird in Letzte Hilfe Kursen rückgemeldet: „Wenn ich das früher gewusst hätte!“ Viele Menschen wissen nicht, wo sie Informationen und Hilfe für eine gute Versorgung und Begleitung am Lebensende oder beim Sterben bekommen können. Auch die jüngste Diskussion um den assistierten Suizid bzw. rund um das neue Sterbeverfügungsgesetz zeigt, dass unheilbar erkrankte Menschen oft nicht die Hilfe und Unterstützung erfahren, die möglich und notwendig wäre, um ihr Leben in Würde zu Ende zu leben. „Das in den Letzte Hilfe Kursen vermittelte Grundwissen über Palliativversorgung und Sorge am Lebensende ermöglicht es jedem, den Bedarf zu erkennen und sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten an der Palliativversorgung von Familienangehörigen, Freunden oder Nachbarn zu beteiligen“.[1]
Das erste Kurs-Modul ‚Sterben ist ein Teil des Lebens‘ eröffnet gleich zu Beginn einen Gesprächsraum für Fragen, die die Teilnehmer:innen mitbringen. Der Kurs soll und kann in erster Linie dazu ermutigen, anderen Menschen am Lebensende beizustehen!
Ein Brief, der uns nach einem Letzte Hilfe Kurs erreicht hat, illustriert das. Dagmar S. hatte im Oktober 2020 gemeinsam mit ihrer Schwester und deren Ehemann (einem Arzt) einen Letzte Hilfe Kurs für Erwachsene besucht. Ihre Schwester war schwer an Krebs erkrankt. Dagmar S. schrieb uns einige Zeit später:
„Ich wollte Ihnen sagen, dass sie [die Schwester] am 18. November gestorben ist. So traurig es ist, es war auch schön, sie ein bisschen begleitet zu haben. Und dafür war der Kurs, das Sich-Gedanken-machen und die Erfahrungen, die Sie und ihr Kollege uns weitergegeben haben, sehr, sehr hilfreich. Herzlichen Dank, dass Sie diese Kurse anbieten. Gestärkt durch den Nachmittag … bin ich fast jedes Wochenende, manchmal auch für 4-5 Tage … [zur Schwester] gefahren. Sie war zum Schluss recht schwach, aber ihr Mann, ihre Kinder und ich waren einfach da. Auch das habe ich von Ihnen gelernt: Dasein und es aushalten. Am Anfang dachte ich, dass ich mit ihr auch über das Sterben reden ‚soll‘ (das war ja auch meine Frage beim Kurs), und ich bin mit diesem Vorsatz hingefahren. Es hat aber einfach nicht gepasst. Aber ich habe mit ihrem Mann sehr offen reden können und das war auch für mich beruhigend. (…) Sie ist dann am Mittwoch … nach dem Besuch des 8-jährigen Enkelkindes … in ihrem Zuhause gestorben. (…) Und mein Schwager hat davon gesprochen, dass sie kurz davor richtig in einer Aufbruchstimmung war. Das fand ich sehr schön, weil es ja tatsächlich ein Aufbruch in etwas Neues ist. Ich bin wirklich dankbar für den Kurs und die Tatsache, dass man sich dadurch mit dem Kommenden und Unausweichlichen auseinandersetzt. Ich konnte auch bei ihren Kindern schon ein bisschen vorbauen. Zum Beispiel hat sich ihre Tochter damit auseinandergesetzt, wie man das dem 8-jährigen Enkerl sagt. Und es war eigentlich recht schön, weil dem Kleinen das Gefühl vermittelt wurde, dass er der Oma so kurz vor ihrem Tod einen schönen Nachmittag bescheren konnte. Er war richtig aufgeräumt und stolz. Herzlichen Dank, dass Sie so viel Positives in mir/uns bewegt haben.“
Diese positive Resonanz von Teilnehmer:innen und Kursleiter:innen bestätigt internationale Erfahrungen, die auch Gegenstand der Forschung sind, z.B. der Last Aid Research Group International (LARGI). Auch die Europäische Palliativgesellschaft (EAPC) unterstützt seit 2019 mit Gründung der Task Force Last Aid & Public Palliative Care Education (PPCE) die Letzte Hilfe Kurse als innovatives Format, um Palliativversorgung mit einem Public Health Approach zu verbreiten. Ergänzt wird all dies durch regelmäßige Konferenzen im deutschen Sprachraum und international (2021 Frankfurt, 2022 Maribor, 2024 werden sich alle Interessierten in Schottland treffen!) Dort ist z.B. Allan Kellehaer mit dem Stichwort der ‘Compassionate Communities’ ein wichtiger Impulsgeber für die Letzte Hilfe Kurse. Es braucht neben engagierten Bürger:innen auch geeignete strukturelle Unterstützung; sowie in der Gesellschaft Orte für Aufmerksamkeit und Sorge in Gräzln, Gemeinden und Bezirken. Die Nachfrage in Österreich wächst stetig: Aktuell erhalten wir viele Anfragen von Community Nurses, die dieses Kursangebot als wichtigen Baustein in lokale Sorgenetzwerke integrieren möchten. Hospiz- und Palliativeinrichtungen erkennen und schätzen zunehmend das kompakte Format der Letzte Hilfe Kurse als niederschwelliges und wirksames Instrument der Öffentlichkeitsarbeit.
Von Herbst 2020 bis Jahresende 2022 hat sich die Zahl der Kursangebote weit mehr als verzehnfacht. Wir sind immer wieder erstaunt und berührt, was in 4 Kursstunden möglich ist, wenn gemeinsam Hilfreiches gelernt, Tröstliches miteinander geteilt und auch gelacht wird. Dafür danken wir den engagierten, kreativen und professionellen Kursleiter:innen der Letzte Hilfe Community in Österreich.
Sind Sie neugierig geworden und möchten Teil der internationalen Last Aid Bewegung werden, z.B. als Kursleiter:in für Letzte Hilfe Kurse oder einfach einen Kurs in Ihrer Nähe finden? Dann schauen Sie bei uns auf www.letztehilfeoesterreich.at vorbei – hier finden Sie viele weiterführende Infos!
Manuela Straub, MSc, Gesundheits- und Krankenpflegerin mit langjähriger Erfahrung in der Palliative Care, zert. Trainerin für Letzte Hilfe Kursleiter, zert. Trainerin für Palliative Care (DGP), Supervisorin&Coach (ÖVS), Dipl. Psychologische Beraterin mit Schwerpunkt Logotherapie nach Viktor E. Frankl (akkr. VFI)
Dr. Stefan Dinges, PM.ME, Medizin- und Gesundheitsethiker, syst. Organisationsberater, Theologe; Selbstständiger Trainer und Berater (organisation & ethik) sowie Mediator iA., zert. Trainer für Ethikberatung in Gesundheitseinrichtungen
[1] Bollig G, Kuklau N. Der Letzte Hilfe Kurs – ein Angebot zur Verbesserung der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung durch Information und Befähigung von Bürgerinnen und Bürgern, Z Palliativmed 2015; 16:210-216