Marianne Buchegger im Gespräch mit Dr. Luca Delabro
Für den letzten Beitrag dieses Jahres treffe ich Luca Delabro an seinem freien Tag zum Gespräch. Er arbeitet als Intensivmediziner, Anästhesist, Schmerzmediziner und Notarzt in Wien und absolviert derzeit eine Weiterbildung zum Palliativmediziner. Dem Motto dieses Jahres „Gut für sich und andere sorgen“ folgend frage ich ihn, wie sich das alles zusammen „ausgeht“:
Wie passt die schnell getaktete Intensivmedizin mit der, gemeinhin als ruhiger betrachteten, Palliativmedizin zusammen?
„Wir beginnen auf der Intensivstation parallel zu den kurativen Maßnahmen mit symptomkontrollierenden Maßnahmen, Schmerzbehandlungen oder Behandlungen von Atemnot. So weit voneinander entfernt sind die beiden Disziplinen gar nicht. Natürlich sind wir keine Palliativstation. Wir haben weder die räumliche Ausstattung noch die Teamstruktur. Aber vom medizinischen Blickwinkel aus arbeiten auch wir im weitesten Sinne palliativmedizinisch. Wissen Sie, es ist ja auch so, dass in etwa 50% aller auf einer Intensivstation aufgenommenen Patienten innerhalb von einem Jahr versterben, 20% versterben direkt auf der Intensivstation. Das bedeutet, dass es hier einen Auftrag für uns gibt.“
Eigentlich dachte ich, dass das primäre Ziel der Intensivstation „das Leben Erhalten“ ist?
„Ja, das stimmt schon. Aber wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann sehen wir, dass dieser Anspruch, Leben, um jeden Preis zu retten, sich nicht ausgeht. Eines meiner Ziele, weshalb ich mich palliativmedizinisch fortbilde, ist, dass ich das große Credo der Intensivmedizin „Das Leben muss um jeden Preis gerettet werden“ ein Stück weit ins Wanken bringen will.“
Kann das allein als Einzelkämpfer gelingen?
„Nein“, stimmt Luca Delabro zu, „allein geht gar nichts. Aber ich habe viele, überwiegend auch jüngere Kolleg:innen, die sich sehr für das Thema interessieren. Nicht nur Intensivmediziner, auch Kolleg:innen anderer Fachrichtungen – das ist mir wichtig. Die Intensivstation ist häufig eine „Durchgangsstation“ für die Patient:innen. Zumeist kommen sie von anderen Stationen zu uns, werden hier „aufgepäppelt“ und kommen anschließend wieder auf ihre ursprüngliche Station zurück. Oder sie kommen nach Akutereignissen zu uns, entweder versterben sie hier oder sie kommen später auf eine andere Station. In jedem Fall gehen die Patient:innen weiter.“
Da braucht es sehr viel Kommunikation.
„Das stimmt. Im Idealfall interessieren sich die auf den anderen Stationen behandelnden Kolleg:innen, wenn es um palliative Patient:innen geht, für Palliativmedizin oder Palliative Care. Das erleichtert die Kommunikation, weil wir dann von denselben Dingen sprechen und dieselben Ziele haben.“
Er möchte den Kolleg:innen die Scheu vor Therapiezieländerungen nehmen, erzählt mir Herr Delabro. „Ich habe dazu ein treffendes Zitat gefunden“, sagt er und liest vor:
„Ein Leben auf der Intensivstation nicht retten zu können ist kein Versagen.
Aber es ist ein Versagen, wenn das Behandlungsteam dem Sterben nicht den Raum und die Bedeutung gibt.“
„Das zu erreichen“, sagt Luca Delabro, „ist mein Ziel.“
Um den Wechsel der Perspektive, das Anerkennen veränderter Situationen und anderer Sichtweisen, das Reflektieren des eigenen Tuns – darum geht es im Gespräch mit Luca Delabro – aber nicht nur in diesem Interview. Alle Beiträge des vergangenen Jahres haben dazu eingeladen, zu sortieren, zu überdenken und den Blick zu weiten.
Auf dieser soliden Basis nehmen wir Sie mit ins kommende Jahr. Wir werden neue und innovative Ideen, Ansätzen und Methodiken vorstellen, aber auch Altbewährtes nicht zu kurz kommen lassen.
Wir freuen uns auf das neue Jahr gemeinsam mit Ihnen und unseren Autor:innen!
Bis dahin wünschen wir Ihnen frohe Feststage und einen rutschfesten Jahreswechsel – bleiben Sie uns gewogen!
Marianne Buchegger, Catrin Neumüller und Rainer Simader