Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Es ist mein Lebensprojekt

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„I got lost in the Zoom sphere,“ Ana Querido lacht. Wir treffen im Anschluss an einen vorangegangenen, gemeinsamen Termin, aus dem Ana „geworfen“ wurde.

Ana Querido ist Krankenschwester und außerordentliche Professorin am Instituto Polytecnico de Leiria in Portugal. Ihre Fachgebiete sind Palliative Care, Pflegewissenschaften und psychische Gesundheitsfürsorge. Ihr Interesse an der Palliative Care wurde durch die langjährige Krebserkrankung ihrer Mutter geweckt. Diese persönliche Erfahrung ließ sie erkennen, wie entscheidend eine mitfühlende, patientenzentrierte Betreuung insbesondere in der letzten Lebensphase ist.

Heute setzt sich Ana aktiv für die Förderung der Palliative Care und den Aufbau von Compassionate Communities in Portugal ein. Sie engagiert sich für gemeindebasierte Initiativen und leistet durch Forschung, Schulungsprogramme und Workshops einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Palliativversorgung.

Besonders in Portugal hat sich die Palliative Care in den letzten Jahren stark weiterentwickelt, wobei der Fokus zunehmend auf gemeindenahe und häusliche Betreuung gelegt wird, um den Wünschen der Patient:innen gerechter zu werden. Dieser Umstand war der Beweggrund für Ana und ihr Team, bei dem iCare-Projekt mitzuwirken.

Ana, wie kamst Du zur Palliative Care?

Mein Interesse begann mit einer persönlichen Erfahrung – mit meiner Mutter. Sie erhielt mit 33 Jahren eine Krebsdiagnose und ihre Lebenserwartung wurde auf drei Monate geschätzt. Als Familie begannen wir, uns auf ein Leben ohne sie einzustellen. Doch sie lebte weiter, lernte mit den Herausforderungen der Krankheit umzugehen und erreichte schließlich das Alter von 80 Jahren, bevor sie sich bewusst entschied, dass ihre Zeit gekommen war.

Damals arbeitete ich als Krankenschwester auf einer medizinischen Station, auf der viele Patient:innen während meiner Schicht verstarben. Meine Kolleg:innen scherzten, dass sie nicht mit mir arbeiten wollten, weil unter meiner Aufsicht ungewöhnlich viele Menschen starben. Ich empfand das als persönlichen Misserfolg und suchte nach einer Erklärung. In den 90er-Jahren begann gerade die Palliativbewegung, und ich belegte einen Einführungskurs an einer medizinischen Universität. Dort wurde mir klar, dass ich Patient:innen möglicherweise anders behandelte – vielleicht blieb ich länger bei ihnen, vielleicht fühlten sie sich sicher genug, um loszulassen. Dann habe ich meine Fortbildung in Palliative Care gemacht und Jahre später verstanden, dass es genau diese Fürsorge war, die den Unterschied machte.

Nach diesem ersten Kurs wusste ich, dass dies mein Weg war – auch aufgrund meiner eigenen familiären Erfahrungen. Seitdem bin ich Mitglied der nationalen Palliativvereinigung und beschäftige mich intensiv mit spiritueller Pflege.

Wie hast Du die Entwicklung von Palliative Care in Portugal erlebt?

Anfangs war die Palliative Care stark auf Krankenhäuser konzentriert, weil man annahm, dass dies der beste Ort für schwerkranke Patient:innen sei. Doch vor etwa zehn Jahren ergab eine Studie, dass die Mehrheit der Menschen lieber zu Hause sterben möchte. Daraufhin begann eine Umstrukturierung hin zur gemeindenahen Versorgung, die bis heute andauert.

Für eine erfolgreiche Palliativversorgung in Portugal sind aus meiner Sicht verschiedene Akteure und Faktoren entscheidend. Die derzeitige Situation wird durch drei zentrale Bereiche geprägt:
die politischen Entscheidungsträger, die Gesundheitsfachkräfte und die Gesellschaft.

In diesen Bereichen spielen vor allem das Wissen über Palliativversorgung sowie die Organisation aus politischer Sicht eine Rolle. Bei den Gesundheitsfachkräften sind zudem die klinische Ausbildung und die Spezialisierung innerhalb der Medizin von Bedeutung. Um die Palliativversorgung nachhaltig zu verbessern, braucht es eine umfassende Aufklärung der Gesellschaft über die Bedeutung und Möglichkeiten von Palliative Care. Gleichzeitig muss die Ausbildung von Gesundheitsfachkräften qualitativ ausgebaut werde. Meiner Erfahrung nach wäre es sinnvoll, die gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen, um die Umsetzung zu erleichtern. Zudem könnte die Einführung einer eigenen medizinischen Fachrichtung für Palliativmedizin dazu beitragen, die Versorgung langfristig zu stärken und weiterzuentwickeln.
Nur durch diese kombinierten Maßnahmen kann eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Palliativversorgung in Portugal gewährleistet werden.

In Österreich wollen etwa 70 % der Menschen zu Hause sterben, doch die meisten versterben im Krankenhaus. Ist das in Portugal ähnlich?

Ja, tatsächlich sterben etwa 80 % der Patient:innen im Krankenhaus, obwohl sie sich etwas anderes wünschen. Wir versuchen daher, mehr Pflege nach Hause zu verlagern, aber es fehlt oft an Fachkräften, um diese Versorgung umfassend zu ermöglichen.

Wie hat sich die Bewegung der „Compassionate Communities“ in Portugal entwickelt?

Diese Bewegung begann 2011 mit Pilotprojekten. Heute gibt es in Portugal etwa acht Städte, unter anderem Leiria, die aktiv daran arbeiten, mitfühlende Gemeinschaften zu fördern. Wir setzen stark auf ehrenamtliches Engagement, um die Versorgung in der Gesellschaft zu stärken, auch wenn es oft an finanziellen Mitteln fehlt. Damit solche Initiativen nachhaltig bleiben, sind politische Unterstützung und finanzielle Ressourcen notwendig. Zudem braucht es Anerkennung für diese Arbeit und das Bewusstsein, dass sie die Lebensqualität der Menschen verbessert.
Die Teilnahme am iCare-Projekt soll ein weiterer Schritt in diese Richtung für Portugal sein.

Was gibt Dir die Kraft, trotz aller Herausforderungen weiterzumachen?

Ich glaube an das, was ich tue, und empfinde es nicht als Arbeit, sondern als Teil von mir. Es ist mein Lebensprojekt. Ich bin glücklich mit dem, was ich erreicht habe, und sehe meine Tätigkeit als meinen Beitrag zur Gesellschaft. Wenn ich das Wissen und die Fähigkeiten habe, dann setze ich sie ein – nicht aus Pflichtgefühl, sondern weil es für mich selbstverständlich ist. Genau das macht es für mich so erfüllend. Ich glaube, dass sich viele Menschen in der Gesellschaft – aufgrund ihres Mitgefühls für andere und ihrer Expertise – in Compassionate Communities engagieren können.

Das Gespräch führte Marianne Buchegger

Caring Communitiy – Sorgende Gemeinschaft
Compassionate Communitiy – Mitfühlende Gemeinschaft

It is my life project

„I got lost in the Zoom sphere,“ Ana Querido laughs. We met following a previous joint appointment, from which Ana had been „kicked out.“

Ana Querido is a nurse and an associate professor at the Instituto Politécnico de Leiria in Portugal. Her areas of expertise include palliative care, nursing science, and mental health care. Her interest in palliative care was sparked by her mother’s long battle with cancer. This personal experience made her realize how crucial compassionate, patient-centered care is, especially in the final phase of life.

Today, Ana actively advocates for promoting palliative care and developing Compassionate Communities in Portugal. She is involved in community-based initiatives and contributes significantly to improving palliative care through research, training programs, and workshops.

In recent years, palliative care in Portugal has evolved significantly, with a growing focus on community-based and home care to better meet patients‘ wishes. This shift was the motivation for Ana and her team to participate in the iCare project.

Ana, how did you become involved in palliative care?

My interest began with a personal experience—my mother. She was diagnosed with cancer at the age of 33, and doctors estimated she had only three months to live. As a family, we began preparing for life without her. But she continued living, learned to cope with the challenges of her illness, and eventually reached the age of 80 before consciously deciding that her time had come.

At the time, I was working as a nurse in a medical ward where many patients passed away during my shift. My colleagues joked that they didn’t want to work with me because an unusual number of people died under my care. I took this as a personal failure and sought an explanation. In the 1990s, the palliative care movement was emerging in Portugal, and I took an introductory course at a medical university. There, I realized that I might have been treating patients differently, perhaps staying with them longer, perhaps making them feel safe enough to let go. I then continued my education in Palliative Care, and years Years later, I understood that it was precisely this care that made the difference.

After the first courses, I knew this was my path—partly due to my own family experiences. Since then, I have been focusing my efforts on teaching, practice and research, have become a member of the National Palliative Care Association and have deeply been involved in spiritual care.

How have you experienced the development of palliative care in Portugal?

Initially, palliative care was heavily hospital-centered, as it was believed that this was the best place for seriously ill patients. However, about ten years ago, a study found that the majority of people would prefer to die at home. This led to a restructuring toward more community-based care, a process that continues today.

For palliative care in Portugal to be successful, various stakeholders and factors are crucial. The current situation revolves around three key areas: policymakers, healthcare professionals, and society. In these domains, knowledge about palliative care and its organization from a political perspective plays a significant role. Among healthcare professionals, clinical training and specialization within medicine are also important.

To sustainably improve palliative care, we need widespread public education on its significance and possibilities. At the same time, the training of healthcare professionals must be enhanced in terms of quality. Based on my experience, adjusting legal frameworks would be helpful to facilitate implementation. Additionally, establishing palliative medicine as a recognized medical specialty could contribute to strengthening and further developing care in the long term.
Only through these combined measures can we ensure high-quality, comprehensive palliative care in Portugal.

In Austria, around 70 % of people want to die at home, yet most pass away in hospitals. Is it similar in Portugal?

Yes, in fact, about 80% of patients die in hospitals, even though they wish for something different. We are trying to shift more care to home settings, but often, there is a lack of professionals to make this care fully possible.

How has the Compassionate Communities movement developed in Portugal?

This movement started in 2011 with pilot projects. Today, there are about eight cities in Portugal, including Leiria, that are actively working to promote compassionate communities. We rely heavily on volunteer engagement to strengthen care within society, even though financial resources are often scarce. For such initiatives to remain sustainable, political support and funding are necessary. Furthermore, there needs to be recognition of this work and an awareness that it significantly improves people’s quality of life.
Participation in the iCare-project is intended as another step in this direction for Portugal.

What gives you the strength to keep going despite all the challenges?

I believe in what I do and don’t see it as work but as a part of me. It is my life project. I am happy with what I have achieved and see my work as my contribution to society. If I have the knowledge and skills, I use them—not out of a sense of duty, but because it feels natural to me, as a community member. That is precisely what makes it so fulfilling. I believe that, similar to my personal experience, many people in the community might engage in compassionate communities based on their expertise and genuine compassion towards others.

The interview was conducted by Marianne Buchegger

Caring Communitiy – Sorgende Gemeinschaft
Compassionate Communitiy – Mitfühlende Gemeinschaft