“What matters to you?”, war die zentrale Fragestellung an alle Teilnehmenden am 1. Austrian Day im St. Christopher‘s Hospice in London.
50 Kolleg:innen aus Österreich und aus Deutschland haben am 19. Juli 2024 im CARE-Zentrum (Center for awareness and response to end of life) des Hospizes, das 1967 von Dame Cicely Saunders gegründet wurde, gemeinsam gelernt, diskutiert und sich vernetzt. Das Hospiz im Südosten Londons begleitet jährlich über 7.000 Patient:innen am Lebensende.
Hellen Simmons, die Geschäftsführerin von St. Christopher’s berichtete über die strategischen Herausforderungen für Hospiz- und Palliativorganisationen und ihre Mitarbeiter:innen im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklungen und sprach sich für einen systemischen Ansatz in der Weiterentwicklung aus. Hospiz- und Palliativeinrichtungen können, sollen und müssen fixer Bestandteil der Gesellschaft und der regionalen Netzwerke sein und sich auch selbst Fragen zu möglichen Schwächen und Herausforderungen stellen:
Sind wir gut genug in Forschung und Entwicklung verankert? Ist es angebracht „ganz anders“ als andere Einrichtungen zu sein, auch sein zu wollen? Tun wir genug, um Hospize und Palliative Care-Einrichtungen zu attraktiven Arbeitsorten zu machen? Wie gehen wir damit um, dass westliche Gesellschaften immer älter und diverser werden und die Menschen zunehmend autonomer und selbstbestimmter leben möchten?
Sonja Thalinger (Geschäftsführerin, HOSPIZ ÖSTERREICH) und Rainer Simader (Leiter des Bildungswesens, HOSPIZ ÖSTERREICH) reflektierten im Anschluss daran mit den Teilnehmenden die österreichisch-deutsche Perspektive.
Auch Heather Richardson, Leiterin des Bildungsbereiches im CARE-Zentrum von St.Christopher’s, bekräftigte die Notwendigkeit, dass Hospize nicht nur Orte des Lebensendes sind, sondern auch die geeigneten Einrichtungen, um das Thema Lebensende hinaus in die Gesellschaft zu tragen und die Bevölkerung im Umgang mit dem Lebensende zu befähigen. Dafür sind die Bereitschaft zu ständiger Weiterentwicklung und ein erweitertes Selbstverständnis der Einrichtungen sowie das regelmäßige Evaluieren und Erneuern der Ansätze der Begleitung unerlässlich.
Ein neues Prinzip im St. Christophers Hospice ist die rehabilitative Palliative Care, bei der es viel mehr um die Befähigung als um die Versorgung der erkrankten Menschen und ihrer An- und Zugehörigen geht, wie Lorna Malcolm, die sehr lebendig und dynamisch durch den Tag führte, in ihrem Vortrag erzählte. Fundamental sind dabei die patient:innenorientierte Ziele, betrachtet wird vorrangig die Person und nicht der/die Patient:in. Der zentrale Ansatz und die Kunst des multiprofessionellen Teams sind, mit den Menschen gemeinsam deren Ziele zu formulieren.
Zum Team gehören auch die ehrenamtlich tätigen Personen. Über 1.200 davon arbeiten im St. Christopher’s Hospice in über 40 verschiedenen Rollen. Drei ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen erzählten von ihren Aufgaben: Von der Mitarbeit im Rehabilitationsteam, von Trauerangeboten, die von Ehrenamtlichen geleitet werden, bis zu den Fortbildungen, die sie für andere ehrenamtliche Kolleg:innen anbieten.
Auffällig war, dass sämtliche Angebote im Hospiz auf evidenzbasierten Grundlagen beruhen und zugleich niederschwellig zugänglich sind. Schon Cicely Saunders stellte vor langer Zeit die wichtige Frage: Was trauen wir anderen Menschen zu und wie gut sind wir selbst darin, auch Risiken einzugehen? Diese Haltung führt im St. Christophers Hospice immer wieder zu Innovationen. So berichtete die verantwortliche Bereichsleiterin zur Entwicklung bevölkerungsnaher Angebote vom Trauer-Buddy-System, bei dem Freiwillige mit Trauererfahrung anderen trauernden Menschen zur Seite stehen, sowie von einem anderen Projekt, bei dem Menschen eingeladen werden, ehrenamtlich palliativ erkrankte Menschen zu Hause zu unterstützen.
Mutig waren auch zwei Patient:innen und ein Angehöriger, die bei einer Podiumsdiskussion mit Helena Talbot-Rice sehr offen über ihre Erfahrungen von der Diagnosestellung bis heute berichteten.
Es wurde auch auf neue klinische Herausforderungen eingegangen, auf die sich Hospiz- und Palliativeinrichtungen zunehmend einstellen und vorbereiten müssen, wie beispielsweise Frailty und Demenz.
Nicht fehlen durfte ein geführter Rundgang durch das Hospiz und die wunderschön angelegten Gärten – auf den Spuren von Cicely Saunders und den Entwicklungen seit 1967.
Fast alle Teilnehmenden trafen sich anschließend im nahegelegenen Pub, reflektierten Eindrücke und Informationen und diskutierten Ideen, wie und welche Ideen in Österreich bzw. Deutschland umgesetzt werden könnten.
HOSPIZ ÖSTERREICH plant in Zukunft in regelmäßigen Abständen, die Möglichkeit, über den eigenen geografischen Tellerrand zu blicken, in Form solcher Exkursionen anzubieten. Falls Sie Ideen und Vorschläge zu spannenden und innovativen Einrichtungen oder Orten haben, schreiben Sie gerne ein E-Mail an Rainer Simader, rainer.simader@hospiz.at
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