Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Symposium für Ehrenamtlich Engagierte in Hospiz und Palliative Care: „Werte an der Grenze“

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„Werte an der Grenze“

war das Thema des Symposiums für ehrenamtlich Engagierte in Hospiz und Palliative Care, das am 1.März 2022 online stattfand. Mehr als 300 Teilnehmer*innen, ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen und Ehrenamtskoordinator*innen, waren angemeldet. Das anspruchsvolle Programm zum Umgang mit Suizidwünschen im Rahmen des neuen Sterbeverfügungsgesetzes stieß auf reges Interesse, hochkarätige Speaker setzten sich in ihren Vorträgen, damit auseinander, wie Sterbewünschen oder dem Wunsch nach assistiertem Suizid seitens der Hospiz- und Palliative Care begegnet werden kann.

Dietmar Weixler (Österreichische Palliativgesellschaft), brachte in seinem Eingangsstatement Zitate von Philosophen, die das Unorganisierbare, das nicht Managebare des Todes betonten:

Vergessen wird dabei, dass die Grundhaltung des Machenwollens nicht geeignet ist, um ausgerechnet dem Sterben gerecht zu werden. Sterben bedeutet doch gerade, dass sich uns das Leben entzieht, und der Anspruch, selbst im Sterben alles im Griff zu haben, hat von daher etwas Widersprüchliches an sich.“ (Giovanni Maio), schloss mit Hartmut Rosa: „Das Sterben ist letztlich unverfügbar, es entzieht sich der Kontrolle.“ und bezog das auch auf das selbst herbeigeführte Sterben.

Die niederösterreichische Landesrätin für Gesundheit, Ulrike Königsberger-Ludwig, und Christiane Teschl-Hofmeister, Sozial-Landesrätin in Niederösterreich, bedankten sich dafür, dass das Symposium in der Pandemie online stattfinden konnte, und verliehen ihrer Wertschätzung für die wichtige Arbeit der Ehrenamtlichen Ausdruck, besonders die Würde am Ende des Lebens betreffend. In der Frage von Selbstbestimmung und Fremdbestimmung komme den Ehrenamtlichen auch künftig eine wichtige Rolle zu.

Christoph Ostgathe, Präsident der European Association for Palliative Care (EAPC) stellte neben vielen Erfolgen der Hospiz- und Palliativversorgung auch eine Krise fest. Immer noch haben weltweit 86% der Menschen mit Bedarf an Palliativversorgung keinen Zugang. Medizinisch unterstütztes Sterben wird immer mehr zu einem Bestanteil der medizinischen Versorgung. Und auch wenn weder Euthanasie noch der assistierte Suizid Teil der palliativen Versorgung sein kann, muss man sich mit dieser Entwicklung auseinandersetzen. Die Ehrenamtlichen sind hier auch Vertreter*innen einer Bürgerbewegung und eine Unterstützung in schwierigen Zeiten.

Die Geschäftsführerin vom Dachverband Hospiz, Leena Pelttari, berichtete von ihrer Arbeit als Leiterin der EAPC Taskforce für das Ehrenamt in Europa, und der Bedeutung die das Ehrenamt auch für die Hospizbegleiter*innen selbst hat: Wachstum durch Beziehungen, neue Perspektiven, Persönlichkeitsentwicklung insgesamt. „Leider haben während der Pandemie viele Ehrenamtliche aufgehört, nun hoffen wir, dass sie wiederkommen. Nach wie vor ist ihre Rolle unverzichtbar.“

„Wie geht die internationale Hospizbewegung aktuell mit Sterbewünschen um? Vom Prozess, eine Haltung zu leben“ war der Titel von Claudia Bausewein, Präsidentin der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Durch die neue Gesetzgebung sind die Anfragen nach Suizidassistenz auch in Deutschland deutlich angestiegen. Im Kontext der Hospiz- und Palliativversorgung ist es bereits Alltag über Todeswünsche zu sprechen. Anhand von drei Begleitungen schilderte sie, dass die Grundaussage meist lautet: „Ich will SO nicht mehr leben.“ und wie wichtig es ist, die Not der Menschen wahrzunehmen, zu respektieren, über das Gespräch in Beziehung zu treten und Perspektiven zu öffnen, die eine freie Entscheidung ermöglichen. Nicht immer sei Hospiz- und Palliativversorgung die Antwort auf alles, Suizidwünsche bleiben aber nur in Ausnahmefällen bestehen und bedeuten jedenfalls keinen Handlungsauftrag. Der neue Begriff Medical Aid in Dying subsumiert beide Formen der Sterbehilfe (den assistierten Suizid und Tötung auf Verlangen). Festzustellen ist, dass es weltweit immer mehr zur Normalität wird, mit Sterbehilfe aus dem Leben zu scheiden. Das ist nicht die Aufgabe der Hospiz- und Palliativversorgung, trotzdem muss sie sich dem Phänomen stellen.

Was ändert sich? Die Thematisierung des Wunsches und andere Sterbeerfahrungen verändern die Beziehung zwischen Arzt/Ärztin und Patient*innen. Alle, auch die Ehrenamtlichen müssen eine Haltung entwickeln. Wie stehe ich persönlich dazu? Wie verhalte ich mich? Was bedeutet das für mein Engagement? Wo sind meine persönlichen Grenzen? Was muss ich wissen?

Faktoren wie demografischer Wandel, zunehmender Fokus auf Autonomie, säkulare Gesellschaft, Ökonomisierung im Gesundheitswesen, soziale Determinanten von Gesundheit und wirtschaftlicher Stabilität, Zugang zu Arbeit, sozialen Kontakten, medizinischer Versorgung und Bildung bilden die Basis der Diskussion. Hier muss die Prävention verstärkt ansetzen.

Thomas Wienerroither, Klinischer Psychologe und Psychoonkologe, referierte zu: „‘Ich kann nicht mehr – bitte geben Sie mir eine Tablette!‘ Wie begegnen Sie existentiellen Nöten?“ Er erläuterte den Begriff der Suizidalität als komplexes Geschehen und Verhalten, das etwas ändern möchte, aber zugleich meist kein Ausdruck von Freiheit und Wahlmöglichkeit ist (Autonomie setzt Freiheit von Druck voraus), sondern einem inneren Druck folgt.

Ein Sterbewunsch ist meist kein Suizidwunsch. SO nicht mehr weiterleben zu wollen, kann viele Gründe haben, jedenfalls ist ein geäußerter Sterbewunsch ein Vertrauensbeweis und meint auch „Bitte respektiere mein Leid!“. Wichtig daher ist die Würdigung des Sterbewunsches, Verständnis ohne Modifikation, ohne Relativierung, ohne eigene Werthaltungen in den Vordergrund zu stellen und eine Klärung der Ursachen sowie das Angebot palliativer Begleitung. Als Leitfaden empfiehlt Wienerroither die Praxistipps aus der Handreichung der OPG https://www.palliativ.at/aktuelles/handreichung-sterbe-und-suizidwunsch/ und die wesentlichen Parameter der guten Gesprächsführung zu beachten: empathisches Zuhören, auf Ungesagtes achten, zusammenfassende Rückmeldungen, Wertschätzung, Schweigen aushalten, nach Absprache Dritte beiziehen, in Beziehung bleiben, Gespräche dokumentieren.

Rainer Simader, Leiter Bildungswesen Dachverband Hospiz Österreich, führte als ‚Reisebegleiter‘ durch den Tag und leitete die folgende Arbeit in Kleingruppen an, Nina Farkas sorgte mit Achtsamkeitsübungen für Entspannung und Konzentration.

An den Fragen und Beiträgen der Teilnehmer*innen war zu erkennen, wie viele Themen aktuell virulent sind, meinte Waltraud Klasnic, Präsidentin von Hospiz Österreich.

Noch fehlt es an ausreichender Information zur Sterbeverfügung in Österreich sowie an kompetenten Beratungsstellen. Die Ehrenamtlichen wünschen sich Unterstützung in Themen, die oft als Argumentation für einen Todeswunsch angeführt werden: z.B. im Umgang mit Selbstbestimmtheit am Lebensende, dem verbreiteten Wunsch ‚nicht zur Last fallen zu wollen‘, Einsamkeit, Defizite und Überforderung der Angehörigen und Pflegenden.

Die Fragen, ob die Ehrenamtlichen im Auftrag der Patienten*innen oder der Gesellschaft agieren sollen, oder, ob und inwieweit Begleitung auch intervenierend sein darf, zeigten, dass die Diskussion jedenfalls weitergeführt werden muss und zur Orientierung noch weitere Informationen und Handlungsanleitungen zu erarbeiten sind.

Das Fazit des Symposiums war aber ganz eindeutig:

„Fürchtet Euch nicht, das Thema anzusprechen!“ und „Nützt, was Euch in Eurer hospizlichen Tätigkeit stärkt!“

Diese am Ende des Symposiums erstellte Wortwolke zu „Was trägt mich in meiner hospizlichen Tätigkeit?“ zeigt ein buntes Bild und starkes Statement.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Förderern und Kooperationspartnern, dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der ERSTE Stiftung!

Links zu den Videos:

Christoph Ostgathe-Präsident der European Association for Palliative Care (EAPC) https://youtu.be/Z_gjEu9FyXQ

Leena Pelttari-Geschäftsführerin Dachverband Hospiz Österreich https://youtu.be/4OIWcIxHF7E

Claudia Bausewein-Präsidentin der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin https://youtu.be/7A8jptsORKU

Thomas Wienerroither-Klinischer Psychologe und Psychoonkologe https://youtu.be/YxALMADNM7k

Playlist https://youtube.com/playlist?list=PLdeEcYY6OEgk8m7SUCoVc-sEQfck_VXW1