„Der Gruber Hans ist gestorben. Die Anna ist ganz neben sich…“ Der Wald zieht am Fenster vorbei, ich höre den Worten meines Vaters unaufmerksam zu und brumme gerade so laut, dass er hört, dass ich, zumindest ein wenig, zuhöre.
„Angeblich ist er einfach eingeschlafen. Er war ja ein Bild von einem Mann, in seinem achtzigsten Jahr, kerngesund, immer aktiv… Eigentlich eine Gnade. Einfach einschlafen.“ Mein Vater spricht nicht weiter, er konzentriert sich auf die Schotterstraße, die bergauf durch den Wald zu unserem Haus führt.
So konzentriert er auf die Straße ist, umso aufmerksamer bin ich mittlerweile. „Und die Anna, Papa?“ „Naja, die ist ein bissl wunderlich seither.“ Der Hans ist vor etwa einem Jahr gestorben, seine Frau Anna und er waren ihr ganzes Leben lang zusammen gewesen und dann, dann ist er einfach gestorben.
Einfach so.
Anna ist übrig geblieben. Sie lebt weiter in dem Haus, das sie gemeinsam gebaut haben, in dem sie viele Jahre gemeinsam gelebt haben.
Anna hat keine Möglichkeit gehabt, Abschied zu nehmen, gemeinsam einen Übergang zu erleben.
Natürlich wirkt es im ersten Moment so, als ob es „eine Gnade“ gewesen ist, dass Hans einfach so eingeschlafen ist. Doch gleichzeitig überlege ich mir, ob es manchmal eine Form des Übergangs sein kann, den Weg durch eine Krankheit gemeinsam zu gehen. Gemeinsam dem zu begegnen, was kommt – gemeinsam aushalten, weinen, lachen, vorbereiten, verändern.
Eine Erkrankung kann auch ein gemeinsam erlebter Prozess sein. Eine Veränderung, die gemeinsam erlebt, ausgehalten, der gemeinsam gezürnt werden kann.
Der Veränderung, die eine unheilbare Krankheit oder der Tod eines nahen Menschen bringt, muss Raum gegeben werden, damit eine tatsächliche Veränderung im Sinne von Entwicklung passieren kann. Diese Veränderungen sind für alle, die daran beteiligt sind, immer auch ein Stück Übergang in eine andere Form des Lebens, das gelebt werden will.
Übergänge, Veränderungen, gemeinsam zu gestalten, gemeinsam zu erleben, kann schmerzhaft sein und heilt Krankheiten nicht. Aber vielleicht wird dadurch etwas in unserer Seele heil.
Marianne Buchegger BA, Mitarbeiterin in der CS Caritas Socialis (Leitung Tageszentrum für SeniorInnen, Palliativbeauftragte im Bereich Mobile Pflege und Betreuung), ehrenamtliche Mitarbeiterin bei Hospiz Österreich zum Blog
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