Die Palliativstation am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) befindet sich im 17. Stockwerk des roten Bettenturms mit schönem Ausblick über Wien. Ich stehe am Fenster, heute reicht der Blick bis zum Schneeberg. Hinter mir die Station, sie ist hell und freundlich gestaltet, mit einer warmen, heimeligen, umsorgenden Atmosphäre und einem „Dorfplatz“ vor dem Stationsstützpunkt. Patient*innen und ihre Angehörigen nutzen ihn, um das Krankenzimmer auch einmal verlassen zu können.
Gleich beginnt unsere wöchentliche Nachmittagsbesprechung. Alle an der Station tätigen Berufsgruppen kommen zusammen, um die Situation jeder einzelnen Patientin/jedes einzelnen Patienten eingehend zu besprechen. Hierbei folgen wir dem Grundsatz: Therapieziel vor Therapieplan. Für die Patient*innen belastende Therapien sollen möglichst vermieden werden. Maßgeblich ist eine gemeinsame Zielfindung, denn die wichtigste Frage in der Palliative Care ist und bleibt: „Was macht diesen Menschen aus und was ist ihr/ihm wichtig?“.
Ich denke an Frau S. Sie hat Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium und ist neu bei uns. Nach der Teamsitzung werde ich zu ihr gehen und sie fragen: „Was müssen wir über Sie als Mensch wissen, um Sie bestmöglich behandeln zu können?“ Mit ihr und später auch ihren Vertrauenspersonen werde ich besprechen, was Lebensqualität für sie bedeutet, was ihr jetzt wichtig ist und womit das erreicht werden könnte. Das Ziel einer Betreuung auf der Station 17K ist es, den individuellen Menschen, in diesem Fall Frau S., unter Berücksichtigung ihrer Lebensgeschichte gerecht zu werden. Anbieten können wir alles, was Palliative Care (von lateinisch „pallium“ – Mantel) umfasst. Das können z.B. Gespräche mit dem ärztlichen oder pflegerischen Team oder anderen Teammitgliedern (Diätologie, Ergotherapie, Physikalische Therapie, Psychologie/Psychotherapie, Seelsorge, Sozialarbeit) oder medizinische und andere Therapien sein.
Auch ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen spielen eine bedeutende und unverzichtbare Rolle auf der Station 17K. Sie sind die guten Geister, die auf Wunsch Erledigungen tätigen oder versuchen, persönliche Wünsche zu erfüllen. Alle Mitarbeitenden der Station werden sich bei Frau S. vorstellen, denn meist zählen die menschlichen Begegnungen wesentlich mehr als die jeweiligen Berufsbezeichnungen und Titel.
Frau S. muss auch im Tagesablauf keinem strikten Krankenhausalltag folgen, sie kann auf Wunsch länger schlafen und auch jederzeit Therapien ablehnen, wenn sie sich zu schwach oder müde fühlt. Wenngleich das Stationspersonal unter dem Motto „Tango statt Fango“ sehr bemüht ist, sie so wie alle Patient*innen zu Aktivitäten zu motivieren.
Wichtig zu erwähnen ist, dass eine Palliativstation eine medizinische Station ist, wo mit dem Ziel einer maximal möglichen und guten Symptomkontrolle Untersuchungen und Therapien durchgeführt sowie Medikamente verabreicht werden können. Eine solche spezialisierte palliative Versorgung geht über eine allgemeine Versorgung, die auch auf zahlreichen anderen Krankenhausstationen oder im niedergelassenen Bereich (bei praktischen Ärzt*innen, niedergelassene Fachärzt*innen) gegeben ist, hinaus.
Auf der Station 17K erhalten die einzelnen Patient*innen einen persönlichen und auf sie ausgerichteten Behandlungsplan. Das Erreichen einer guten Lebensqualität, die für jeden Menschen etwas anderes bedeutet, steht hierbei ganz besonders im Vordergrund. Ziel des Aufenthaltes auf der Palliativstation ist es, eine Entlassung in das häusliche Umfeld (ggf. mit Unterstützung sowie Betreuung durch professionelle mobile Palliativteams) oder andere Einrichtungen zu ermöglichen. Aus diesem Grund arbeitet eine Sozialarbeiterin auf der Station 17K, die in organisatorischen und finanziellen Angelegenheiten beraten kann. Auch Gespräche in Bezug auf die Zukunft sowie Beratung in Bezug auf das Erstellen einer Vorsorgevollmacht oder die Erstellung einer Patient*innenverfügung, also vorausschauendes Planen (engl. Advance Care Planning), kann Teil des Aufenthaltes auf der Palliativstation sein.
Unser Team arbeitet unter dem Motto „low tech, high touch“, wie es Cicely Saunders formuliert hat. Das rückt die menschliche Zuwendung in den Vordergrund. Besuchende sind stets willkommen, es gibt keine fixen Besuchszeiten! Scheuen Sie sich bitte nicht, bei Fragen unsere Station zu kontaktieren oder nach Terminvereinbarung bei uns vorbeizukommen! Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen anfangs Scheu haben, auf die Palliativstation kommen, jedoch meist sehr von der Betreuung profitieren und sich äußerst wohlfühlen!
Zur Information: Die Palliativstation im AKH wurde im Jahr 2010 eröffnet und ist seit 2014 als Klinische Abteilung für Palliativmedizin eine eigene Abteilung. Das AKH ist eine große Universitätsklinik mit etwa 1.700 Spitalsbetten. Das Besondere an der im Vergleich kleinen Palliativstation ist mit Sicherheit die warme, heimelige, umsorgende und sehr persönliche Atmosphäre und das multiprofessionelle Team.
Link: https://innere-med-1.meduniwien.ac.at/palliativmedizin/
Assoc. Prof.in PD.in Dr.in Eva Katharina Masel, MSc, stationsführende Oberärztin sowie stellvertretende Leiterin der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin am Allgemeinen Krankenhaus Wien der Medizinischen Universität Wien
Palliativstationen sind Teil des österreichischen Abgestuften Konzepts der Hospiz- und Palliativversorgung für Erwachsene. Je nach Standort kann es bei Hospiz- und Palliativeinrichtungen zu verschiedenen Ausprägungen in der Umsetzung kommen. Alle Palliativvstationen erfüllen die im Konzept vorgesehenen Aufgaben, manche, wie jene im AKH, bieten z.B. zusätzlich eine Palliativambulanz an.
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