Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

HPC im Krankenhaus – ein neues Projekt

veröffentlicht am

Maria Eibel leitet seit August 2023 als Nachfolgerin von Sigrid Beyer den Bereich Hospiz und Palliative Care (HPC) in der Grundversorgung bei HOSPIZ ÖSTERREICH. Im Frühjahr 2023 erhielt das neue Projekt Hospiz und Palliative Care (HPC) im Krankenhaus vom FGÖ (Fonds Gesundes Österreich) eine Förderzusage und wird unter ihrer Leitung umgesetzt. Der Kick-off Termin war am 10. Oktober 2023.

Maria nahm sich kurz danach Zeit für ein Gespräch über dieses – sehr innovative – Projekt:

Wie kam es zu der Idee zu dem Projekt?

Aufgrund der Projekte Hospiz und Palliative Care in Alten- und Pflegeheimen (HPCPH) und Hospizkultur und Palliative Care in der mobilen Pflege und Betreuung zu Hause (HPC mobil) kamen auch Vertreter:innen aus Krankenhäusern, die ja auch zur Grundversorgung gehören, auf uns zu und haben immer wieder berichtet, dass es dort auch auf „normalen Stationen“ – also anderen als den Palliativstationen – Bedarf an der Vermittlung von Wissen und Haltung zu Hospizkultur und Palliative Care gibt.

Außerdem sterben 47% aller Menschen, die in Österreich jährlich versterben, im Krankenhaus, es ist also kein Nischenthema, sondern ein konsequenter nächster Schritt in Bereich der Grundversorgung sich mit den Krankenhäusern zu beschäftigen.

Sigrid Beyer hat daher bereits 2019 begonnen, eine Erhebung zu machen. In der Folge haben wir in fünf Krankenhäusern in drei Bundesländern eine qualitative Studie durchgeführt. Es wurden Vertreter:innen verschiedener Berufsgruppen aus Pflege und Medizin befragt, wie Hospizkultur und Palliative Care in ihrem Arbeitsbereich gelebt wird. Das Ergebnis dieser Erhebung hat dann bestätigt, dass – besonders im Umgang mit hochaltrigen oder an Demenz erkrankten Patient:innen sowie den An- und Zugehörigen unterstützenden Maßnahmen unbedingt erforderlich sind.

Und wie ging es dann weiter?

Wir haben dann ein Projekt aufgesetzt: Wie bringt man Hospizkultur und Palliative Care ins Krankenhaus? Das Projekt ist – wie die beiden zuvor auch – als Organisationsentwicklungsprojekt aufgesetzt. Um Hospizkultur und Palliative Care in einem System zu verankern und zu etablieren, reicht es nicht, die Mitarbeiter:innen zu schulen, es muss auch von der Leitung mitgetragen werden, es muss Raum, Ressourcen und Abläufe dafür geben.

In der Organisationsentwicklung werden die vorhandenen Prozesse und Strukturen angeschaut, es wird festgestellt, wo Aspekte von Hospizkultur und Palliative Care bereits integriert sind, wo etwas etabliert ist und sich bewährt hat. Und es werden jene Punkte und Bereiche identifiziert, wo nachgeschärft werden muss, zum Beispiel in der Kommunikation oder bei der Aufnahme von Patient:innen. Wo ist Hospizkultur und Palliative Care als Thema schon da und wo noch nicht ausreichend, wie gelingt es die Haltung in den Alltag zu bringen, ins tägliche Tun. Das ist die essenzielle Arbeit. Dazu kommen Schulungen der Mitarbeiter:innen im Rahmen von dreitägigen Workshops zum Thema Hospizkultur und Palliative Care, in denen vor allem Bewusstsein geschaffen werden soll. Wichtig ist auch hier – im Rahmen der Workshops wie auch im Organisationsentwicklungsprozess – die Zusammenarbeit mehrerer Berufsgruppen zu einem Thema. Es geht darum, alle bestmöglich einzubeziehen und auch darum, die Bedeutung einer guten interprofessionellen Zusammenarbeit für die Qualität der Versorgung, Pflege und Betreuung zu vermitteln.

Nun hast Du schon jahrelange Erfahrung auch mit HPCPH und HPC mobil? Worin siehst Du hier – bei HPC im Krankenhaus – die größten Herausforderungen?

Das Krankenhaus als komplexes System ist eine Herausforderung. Es ist ein Akutbereich, hier herrscht ein anderes Tempo, es gibt häufig andere Ziele bzw. andere Prioritäten als in Alten- und Pflegeheimen oder in der mobilen Pflege und Betreuung zu Hause – in der Behandlung und Versorgung von Menschen bedeutet das oftmals, dass der kurative Ansatz im Vordergrund steht. Daher stellt sich die Frage:

Wie geht das für die Mitarbeiter:innen, Hospizkultur und Palliative Care in ihrem Alltag zu integrieren?

Es geht uns in der Projektumsetzung nicht um Kontrolle oder Bewertung. Es geht nicht darum festzustellen, was nicht gut läuft, sondern darum, wie etwas besser gelingen kann. Wir fokussieren in dem Organisationsentwicklungsprozess auf Lösungen. Und das ist nur gemeinsam möglich – die Mitarbeitenden als Expertinnen und Experten für ihr Arbeitsfeld, der Akutbereich und wir als Expertinnen und Experten für Hospizkultur und Palliative Care.

Entscheidungen über neue Maßnahmen, andere Kommunikationsformen bzw. -wege, wie Angehörige früh in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, mit den Betroffenen selbst in Gesprächen Wesentliches klären… und weitere Vorgangsweisen, müssen immer gemeinsam im Team getroffen werden.

Wie ist denn aktuell der Status Quo?

Aktuell sind viele Krankenhäuser von starkem Personalmangel betroffen. Regeldienste können teilweise nicht besetzt werden, Stationen müssen zum Teil geschlossen werden oder sind am Wochenende geschlossen, Patient:innen müssen am Samstag und Sonntag auf andere Stationen transferiert werden, um eine durchgehende Versorgung zu ermöglichen.

Die Krankenhäuser machen schon viel und wissen natürlich auch viel, dennoch gibt es dort auch noch etwas zu lernen. – Und, dass sie trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen, das Projekt zu diesem Zeitpunkt starten, zeigt deutlich, wie wichtig den Leitungspersonen der Krankenhäuser dieses Thema ist.

Zum Beispiel haben Stationen wie die Interne und Neurologie eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 4-5 Tagen, dann werden die Patient:innen, die oft hochaltrig oder an Demenz erkrankt sind, wieder entlassen. Hier ist eine gute Abstimmung mit den mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten, den Pflegeheimen oder den Hausärzt:innen wichtig, ebenso das Ansprechen von vorausschauender Planung. Was wird für den/die Patient:in zu Hause herausfordernd sein…

Teil des Projekts ist auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team zu stärken. Es gibt im Krankenhaus kaum berufsübergreifende Teambesprechungen, auch Supervision wird nur vereinzelt in Anspruch genommen. Absprachen passieren vorrangig bei den Visiten vor Ort bei den Patient:innen.

Die Krankenhäuser kämpfen jetzt auch schon mit Ressourcenmangel – was ist das Ziel?

Das Ziel ist, bei allen Mitarbeiter:innen Bewusstsein & Wissen zu Hospizkultur und Palliative Care zu schaffen. D.h. das Mitarbeitende erkennen, wann es bei den Patient:innen in die letzte Lebensphase geht, wie sie Lebensqualität für die betroffenen Patient:innen ermöglichen können, was mit Angehörigen noch geklärt und besprochen werden muss, was noch zu tun ist, was aber auch nicht mehr getan werden muss oder soll, und wie das dem gesamten Team kommuniziert werden kann…

Wichtig ist außerdem, auch wenn sie selbst, manches aus Mangel an Zeit oder Kapazitäten nicht machen können, im Hinterkopf zu haben, wer im Krankenhaus ihr:e Ansprechpartner:in für das Thema ist, z.B. kann ich den PKD (Palliativkonsiliardienst) rufen, oder gibt im Haus ein Ethikteam, an das ich mich wenden kann, etc.

Die Mitarbeiter:innen aller Berufsgruppen sollen mit Wissen, Knowhow und Haltung unterstützt werden. Das ist für die Patient:innen, für die Kommunikation mit den Kolleg:innen im Spital, aber auch für die Kommunikation mit externen Dienstleistern wichtig. Es geht auch darum, für die Mitarbeiter:innen Kommunikations- und Reflexionsräume zu schaffen und ihnen Sicherheit zu geben, so das Team zu stärken, die Selbstbestimmung der Patient:innen zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die An- und Zugehörigen als wertvolle Ressource wahrgenommen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Maria Eibel, BSc, MA, MBA, Studium der Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Medizinischen Universität Graz, Studium Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Case Management an der FH St. Pölten, Studium Sozialmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien – Executive Academy; dzt. ULG „Coaching, Organisations- und Personalentwicklung“ an der ARGE Bildungsmanagement Wien.
Seit 2013 beim Dachverband Hospiz Österreich in diversen Organisationsentwicklungsprojekten der Grundversorgung tätig – in Alten- und Pflegeheimen, Mobile Pflege- und Betreuungsdiensten, in Zusammenarbeit mit Allgemeinmediziner:innen im niedergelassenen Bereich, seit Oktober 2023 in Krankenhäusern

Das Gespräch führte Catrin Neumüller

Bildquelle: pixabay