Maria Eibel arbeitet seit mittlerweile 9 Jahren für den Dachverband Hospiz Österreich als Projektkoordinatorin im Bereich der Grundversorgung und setzt unter anderem Projekte wie HPCPH (Hospizkultur und Palliative Care in Alten- und Pflegheimen), HIZ (Hauskrankenpflege im Zentrum) oder HPC Mobil (Hospizkultur und Palliative Care in der mobilen Pflege und Betreuung zu Hause) um. Wir sind seit einigen Monaten Kolleginnen im Dachverband, heute sprechen wir über ihre Arbeit als Hospizkoordinatorin in Scheibbs (von 2013 bis 2018) und als Projektkoordinatorin im Dachverband jetzt.
Ich habe Gesundheits- und Pflegewissenschaften in Graz und Soziale Arbeit in St. Pölten studiert. Der Hospizbereich hat mich schon im Gymnasium fasziniert, daher habe ich auch den Kurs zur Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung im Kardinal König Haus und danach den interprofessionellen Basislehrgang in St. Pölten absolviert und wurde dann Koordinatorin im Hospizverein Scheibbs.
Worauf kommt es an bei der Hospizkoordination? War das Studium dafür nützlich?
Die Ausbildung als Sozialarbeiterin hat den Vorteil, dass ich Teams und Gruppen führen konnte und gelernt hatte, wie man anderen Menschen Reflexionsräume bieten kann. Ganz wichtig in der Koordination der ehrenamtlichen Hospizbegleiter*innen bzw. bei den Begleitungen sind Kommunikation und Gesprächsführung.
Was macht die Hospizkoordinatorin?
Das wird unterschiedlich gehandhabt. Bei mir war es so, dass ich ins Krankenhaus oder Pflegeheim gegangen bin, dort mit den Koordinator*innen oder mit der Stationsleitung und mit den Patient*innen oder Bewohner*innen gesprochen und vorgefühlt habe, was sie wollen und brauchen. So habe ich mir ein Bild gemacht und dann erst passende Ehrenamtliche gesucht und vermittelt.
Für Begleitungen zu Hause oder Trauerbegleitungen bin ich schon mit einer*m Ehrenamtlichen hingegangen, um möglichst zu vermeiden, dass beim nächsten Mal wieder eine neue Person in die Familie/nach Hause kommt. Ganz wichtig war mir, mit Patient*innen und Ehrenamtlichen offen und ehrlich darüber zu sprechen, ob die Situation und die ‚Chemie‘ für beide Seiten passend ist.
Welche Herausforderungen gibt es in der Hospizkoordination und wie kann man ihnen begegnen?
Oft brauchen Angehörige, die wir ja auch betreuen, mehr Begleitung als die Patient*innen. Hier gilt es sehr sensibel zu sein und es zuzulassen. Wir sind ja für alle gleichermaßen da. Es hat einen Grund, wenn ein*e Ehrenamtliche*r drei Stunden zu einem Patienten kommt und die Ehefrau – anstatt die Zeit für sich zu nützen – dann noch eine Stunde in der Tür steht und auch reden will, weil auch sie Entlastung braucht.
Wenn Patient*innen im selben Alter wie die Ehrenamtlichen sind, ist die Konfrontation manchmal hart. Bei starken dementiellen Veränderungen, wenn herkömmliche Kommunikation eingeschränkt oder Sprache nicht möglich ist, den Kontakt zu den Personen zu finden, ist herausfordernd. Oft geht es auch ums Aushalten. Wenn Patient*innen extrem unruhig sind und die Ehrenamtlichen den Anspruch an sich selbst haben, unterstützen zu wollen, aber die Patientin genauso unruhig bleibt, wie bei allen anderen, dann muss man das aushalten.
Wir sind für die Begleitung von Menschen am Lebensende da. Das wird oft wertgeschätzt, aber es gibt auch viel Ablehnung, weil man sich mit dem Thema Tod und Sterben nicht konfrontieren kann oder will.
Wir erleben Familien, die schon am Ende ihrer Kräfte sind und dennoch sagen: ‚Wir brauchen keine Hospizbegleitung, wir brauchen Sie nicht oder noch nicht.‘ Das ist schade, weil wir wissen, dass wir mit kleinen Dingen viel Unterstützung leisten könnten.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den multidisziplinären Hauptamtlichen?
Ich habe das so gemacht: 1x pro Woche habe ich an Dienstbesprechungen auf der Palliativstation teilgenommen und so erfahren, wer da ist, wer entlassen wird und zu Hause Begleitung braucht, usw. und regelmäßig Austausch mit dem Mobilen Palliativteam gehabt. Alle 2 Monate Austausch mit den Koordinator*innen der Pflegeheime, 2x jährlich von uns mitorganisierte Bezirksarbeitskreise, wo alle Beteiligten, auch Apotheken, Bezirksstellenvertreter der Krankenversicherung die Verbesserung von Kommunikation und Alltagsprozessen besprechen. Dann regelmäßige Vorstellung des Hospizvereins in Pfarren, bei Stationsleitungen von Krankenhäusern und bei Hausärzt*innen.
Vernetzung mit den Ehrenamtlichen in monatlichen Teamsitzungen, in Supervisionsterminen und bei Weihnachtsfeiern, Ausflügen, Teamtagen und Fortbildungen. Und natürlich ständiger informeller Austausch und Reflexion im Verein zu Begleitungen und Dokumentation/Datenerhebung.
Wie kannst Du in der Arbeit gut für Dich sorgen?
Es ist eine Gratwanderung zwischen sich berühren lassen, berührt sein und dann den Schritt heraus zu machen. Ich kann das eigentlich gut, die Tür zu machen und abschalten. Aber es ging früher in Scheibbs noch besser als jetzt.
Ganz wichtig ist der Austausch mit den Kolleg*innen und sehr wertvoll ist die Arbeit auf verschiedenen Ebenen: einerseits im Pflegeheim, wo die Geschichten der Pflegepersonen und Bewohner*innen mich unmittelbar berühren und betroffen machen, andererseits im Dachverband, wo es um die Metaebene geht, darum, wie der Dachverband Hospiz Österreich zur Verbesserung einer Situation beitragen kann. Wichtig ist, den Bezug zur Praxis und Basis nicht zu verlieren, aber auch das Wissen, dass man auf verschiedenen Ebenen unterstützen kann. Man kann beim Einzelschicksal ansetzen, aber auch auf politischer Ebene, selbst wenn die Mühlen oft langsam mahlen. Das gibt Kraft, motiviert für die Arbeit und ist ein gutes Mittel der Selbstfürsorge.
Außerdem ist es wichtig, wenn ein Anliegen da ist, genau zu schauen, was davon können wir lösen und welchen Anteil haben andere. Das ordnet Verantwortung richtig zu und nimmt Druck heraus. Unterstützend in der Selbstfürsorge ist auch der Mut zur Lücke. Computer und Handy abdrehen und hinaus in die Natur gehen.
Du wechselst im Vergleich zu früher mehr die Ebenen und dennoch war Deine Abgrenzungsfähigkeit als Hospizkoordinatorin besser als jetzt?
Das Thema Tod und Sterben war immer etwas Gegebenes, welches mich nie belastet. Es sterben dauernd Menschen. Wenn man bei der Oma groß wird, noch viel mehr. Da war es normal als Kind mit ihr auf Begräbnisse zu gehen. Als mein Opa starb, sagte die Oma am Friedhof: ‚Er kommt jetzt in den Himmel.‘ Und ich fragte: ‚Wie kommt er denn aus der Grube in den Himmel?‘ Es wurde ganz normal darüber gesprochen. Als mein Opa im Sterben lang, durfte ich in sein Zimmer und er hat sich sehr gefreut. Eine Woche später war er tot. Das Thema ist von uns Kindern nicht ferngehalten worden.
Woher beziehst Du Deine Kraft in der Arbeit mit diesen existentiellen Themen?
Es ist das Gehen in der Natur. Wenn ich zwei Stunden gehe, rattert das Hirn beim Weggehen noch 30 Minuten wie verrückt und ich stapfe dahin, schaue kaum links und rechts und bin ganz fixiert auf den Weg vor mir. Dann langsam hebe ich den Blick, bemerke, wie schön der Tag ist und sehe die Blumen. Das ist heilsam und bringt Kraft. Ganz wichtig ist auch immer der Austausch mit anderen, mit Freund*innen oder Familie, und so aus seinem eigenen Ding wieder herauszukommen. Außerdem habe ich ein Urvertrauen, dass alles einen Sinn hat. Als mein Cousin mit dem Auto verunglückt ist, habe ich mir nie die Frage gestellt: ‚Warum passiert uns das?‘ Manche würden es als Glauben bezeichnen, aber ich glaube nicht an einen Gott, der bestimmt, wann oder wie jemand stirbt. Ich bin gläubig in dem Sinn, dass ich Urvertrauen habe: ‚Es hat alles einen Sinn, auch wenn wir es nicht verstehen.‘
Vielen Dank für dieses Gespräch, liebe Maria!
Maria Eibel, BSc MA MBA
Projektkoordinatorin Grundversorgung, Dachverband Hospiz Österreich