Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Atemnot am Lebensende

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Herr Mayer hat erst vor kurzem erfahren, dass er Lungenkrebs hat. Seit vielen Jahren schon hat er eine chronische Bronchitis. Ans Kranksein hat er sich längst gewöhnt und auch daran, dass seine Kräfte schwinden. Er lebt allein. Die meisten Menschen, die ihm lieb waren, sind in den letzten Jahren gestorben. Ja, die Kinder, die sind ihm wohl auch lieb, aber die kommen längst ohne ihn zurecht. Es gibt so vieles, wo er die heutige Welt nicht mehr versteht. Da war ihm schnell klar, dass er sicher keine Therapie gegen den Krebs machen will, auch wenn ihm im Krankenhaus gesagt wurde, dass es da etwas für ihn geben könnte. Jetzt stellt er sich also die Frage, wie das wohl weitergehen wird, mit dem Lungenkrebs?

Die meiste Zeit lehnt Herr Mayer im Bett, auch beim Schlafen kann er nicht flach liegen, sonst hat er das Gefühl zu wenig Luft zu bekommen. Mit Sauerstoffbrille in der Nase gelingt es, auf die Toilette zu gehen, aber eigentlich ist ihm das schon zu anstrengend. Manchmal lässt er sich dankbar helfen, aber manchmal nervt es ihn schrecklich, dass er für jeden Handgriff Hilfe braucht. Dann tut es ihm hinterher leid, dass er so ruppig zu seinen Pflegenden war. Dabei ist doch Sprechen auch schon so schwierig und Schimpfen geht eigentlich gar nicht mehr. Und es tut so gut, wenn jemand da ist.

Dass die Physiotherapeutin jetzt nicht mehr zum Gehen animiert, sondern einfach beim Atmen hilft, erleichtert Herrn Mayer. Er selber kennt sich mit seinen Medikamenten gut aus und bestimmt, ob und wann er etwas Linderndes gegen die Atemnot einnimmt. Schon oft hat er die lindernde Wirkung gespürt. Das erleichtert ihn. Die Angst vor dem Ersticken hatte ihm schon so oft den Schlaf geraubt, aber jetzt bleibt er innerlich ruhiger. Er weiß, was ihm alles in den vielen Momenten der Atemnot, die er schon gut überstanden hat, Erleichterung gebracht hat.

„Ausatmen können …. und weinen können – das wäre schon fast wieder Glück“ so schreibt Erich Fried in seinem berührenden Gedicht „Aufhebung“. Sehr deutlich zeigt er in diesem Text, wie eng der Atem mit den Gefühlen verbunden ist – insbesondere, wenn die Atmung Schwierigkeiten macht.

In der biblischen Schöpfungsgeschichte wird dem Menschen von Gott der „Lebensatem“ eingehaucht. Und wenn ein Mensch seinen letzten Atemzug getan hat, dann hat er „sein Leben ausgehaucht“. Die Atmung ist also nicht nur mit den Gefühlen, sondern auch mit dem Leben eng verbunden.

Unter den Körperfunktionen hat die Atmung eine Sonderstellung: einerseits geht sie ganz von selbst, wie auch Herzschlag und Verdauung, andererseits können wir die Atmung willentlich beeinflussen. Dies machen sich verschiedenste Entspannungstechniken zu Nutze: sie streben über eine absichtliche Beruhigung der Atmung eine Beruhigung des ganzen Menschen an.

Wir alle kennen von körperlicher Überlastung, wie es sich anfühlt, keine Luft zu bekommen – die einen kennen das vom Stiegen Steigen, die anderen vom Bergsteigen und manche kennen dieses Gefühl auch schon bei geringer Belastung, bloß beim Liegen oder auch in Ruhe. Dann schlägt auch das Herz schneller und dann kann auch Angst dazukommen.

Die meisten von uns können darauf vertrauen, dass mit der Erholung nach einer Belastung das Gefühl der Atemlosigkeit wieder verschwindet. Wenn jedoch die Lungen oder das Herz krank sind, oder auch bei manchen Krebserkrankungen, ist es leider so, dass die Betroffenen nicht darauf vertrauen können, dass sich die Atemnot wieder legt.

Bei solchen Krankheiten kommen oft zuerst Medikamente, die die Krankheit beeinflussen sollen, zum Einsatz. Diese Beeinflussung der Krankheit stößt in palliativen Situationen an eine Grenze und dann wird es notwendig, gezielt Linderung der Atemnot und Lebensqualität anzustreben.

Die Medizin hat viele Fortschritte gemacht und mittlerweile sind Medikamente bekannt, die Linderung bei Atemnot bringen können. Unserer Erfahrungen zeigen, dass das Wissen um die Medikamente und das Erleben der lindernden Wirkung in bedrohlich wirkenden Situationen oft ebenfalls entspannend wirken können und damit die Atemnot lindern können. Eine unserer Aufgaben in der palliativen Versorgung ist es daher, dieses Wissen um jene lindernden Medikamente mit den betroffenen Menschen und deren An- und Zugehörigen zu teilen. Die von uns begleiteten Menschen werden somit in ihrer Kompetenz im Umgang mit ihrer jeweiligen Erkrankung gestärkt und können früher als bedrohlich erlebten Situationen nun ein stückweit gelassener begegnen.

Veronika Mosich, Ärztliche Leitung CS Hospiz Rennweg


Link zur Münchner Atemnot-Ambulanz:

http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Klinik-und-Poliklinik-fuer-Palliativmedizin/download/de/aktuelles/Hilfe-fuer-Menschen-mit-Atemnot_NL_79_barrierefrei.pdf

Tipps zur Linderung von Atemnot auf www.hospiz.at unter https://www.hospiz.at/betroffene/fuer-erwachsene/so-geht-es-sterbenden/

Bildquelle: https://www.pexels.com/